Vier Portraits, jung, Berliner Handwerker*innen, Kampagne "Tag des Handwerks 2023", Handwerkskammer Berlin, Handwerksberufe
Valentin Paster (1-3), Konstantin Gastmann (4)/ Handwerkskammer Berlin

Junge Menschen im MittelpunktFallbeispiele: Vielfalt junger Menschen im Berliner Handwerk

Die folgenden Fallstudien sollen die Vielfalt junger Menschen im Berliner Handwerk sichtbar machen und verdeutlichen, dass erfolgreiche Fachkräftegewinnung nicht durch Standardisierung, sondern durch die Anerkennung und Integration unterschiedlicher Perspektiven gelingt. Unterschiede in sozialer Herkunft, Bildungsbiografien und persönlichen Interessen stellen keine Hindernisse dar, sondern eröffnen Potenziale, die in der Ausbildungspraxis produktiv genutzt werden können.

Im Berliner Handwerk haben wir bereits zahlreiche junge Menschen mit sehr unterschiedlichen Ausgangslagen und Herausforderungen begleitet. Exemplarisch stellen wir elf reale Beispiele vor. Sie zeigen, wie gezielte Maßnahmen und konkrete Unterstützungsangebote dazu beigetragen haben, dass diese Jugendlichen erfolgreich den Übergang in das Berufsleben gemeistert und eine vielversprechende berufliche Laufbahn im Handwerk eingeschlagen haben.



„Weil ich staatenlos bin, ist eine Arbeitserlaubnis nur schwer erreichbar gewesen. Dadurch ist es für mich kaum möglich, am gesellschaftlichen Leben in Deutschland teilzuhaben. Ich habe versucht, während meines Spracherwerbs ehrenamtlich in einem Altenheim zu helfen. Sechs Jahre lang habe ich in einer Notunterkunft gelebt. Unter großen Schwierigkeiten habe ich eine Ausbildung dann doch beginnen dürfen, in der es mir nicht gut ging. Durch Zufall bin ich dann in die Nachhilfe der Azubi Akademie gekommen – dort habe ich Unterstützung erfahren. Jetzt mache ich eine Ausbildung zum Maler und Lackierer in einem sehr familiären Handwerksbetrieb. Mit Unterstützung der Ausbildungsbegleitung hat es nun sogar auch mit einer eigenen Wohnung geklappt.“
„Mein Deutsch war als 16-jähriger hier anfangs sehr schlecht. Ich habe lange mit der Sprache und dem Schreiben gekämpft. Da ich aus dem arabischen Schriftbild kam, musste ich es erst einmal komplett neu lernen – mich alphabetisieren. Ich wollte schon immer ins Handwerk und eine Ausbildung machen. Aber mit so wenig Schulbildung war es ein harter Kampf. Wenn man dann auch noch die Familie im Krieg hat, sind die Gedanken nicht immer sortiert. Trotzdem habe ich es geschafft und meine Friseurlehre abgeschlossen. Mit der Wohnsituation war es durch die Jugendhilfe zum Ende der Ausbildung sofort vorbei– nach der Ausbildung musste ich direkt in eine Obdachlosenunterkunft ziehen- mit einer Ausbildungsduldung kriegst du keine eigene Wohnung. Nach den ersten Monaten als ausgelernter Friseur, hat es jetzt endlich mit einer kleinen Wohnung geklappt- die Belastung war bis dahin aber enorm.“
„Nach meinem MSA war ich mir nicht sicher, was ich machen wollte. Ich habe gejobbt und mal in den Metallbau reingeschnuppert. Eigentlich sollte es aber etwas mit Autos sein. Wegen des Geldes habe ich auch im Einzelhandel gearbeitet. Wahrscheinlich brauchte ich die Zeit, um mir klar zu werden, was ich wirklich will. Die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker ist cool, könnte aber für meinen Geschmack auch noch anspruchsvoller sein. Ich bin mir sicher, dass ich die richtige Wahl getroffen habe und will meinen Job gründlich lernen – auch wenn meine Kollegen manchmal schon ein bisschen genervt von meinem Ehrgeiz sind.“
„Nach dem Abitur in Vietnam habe ich schon viel ausprobiert: ein Studium in Bank- und Finanzwesen, ein BWL-Studium in Kiel, ein Orientierungsjahr in Ingenieurwissenschaften und nebenbei noch Aushilfsjobs im Verkauf. Auch als Kellnerin habe ich gearbeitet – mir war nichts zu schade. Jetzt mache ich eine Ausbildung zur Informationselektronikerin mit Fachrichtung Brandschutz- und Gefahrenmeldeanlagen. Fast hätte das nicht geklappt, denn ich brauchte dringend eine Wohnung in Berlin. Durch einen glücklichen Zufall bin ich ins Kolping-Jugendwohnen aufgenommen worden – sonst hätte ich die Stelle gar nicht antreten können.“
„Nach meiner Fachhochschulreife habe ich mein Abitur gemacht. Zuerst habe ich verschiedene Praktika absolviert. Das Schneidern hat mich schon immer interessiert. Dann kam ich auch mit Designern in Kontakt, was mich zu weiteren Praktika nach Lagos, Paris, Mexiko, Köln und schließlich zurück nach Berlin gebracht hat. Doch die Modebranche war nichts für mich – ich wollte da raus. Wichtig war mir, trotzdem etwas Kreatives zu machen. So bin ich in die Ausbildung zum Metallbauer für Konstruktionstechnik gekommen. Mit den eigenen Händen etwas zu erschaffen – das ist einfach phänomenal!“
„Eigentlich sollte ich aus Deutschland abgeschoben werden. Doch ich habe für meine Friseurausbildung hart gekämpft. Für einen 18-Jährigen Albaner war es nicht leicht, die sprachlichen Barrieren zu überwinden. Aber meine Leidenschaft für das kreative Handwerk und meine Begeisterung für Berlin waren nicht kleinzukriegen. Irgendwann brauchte ich mehr Unterstützung – die habe ich in der Azubi Akademie bei der Handwerkskammer Berlin gefunden, mit Kursen und Nachhilfe. Acht Jahre später habe ich nun meinen Meistertitel in der Hand und eröffne gerade meinen eigenen Salon in Berlin. Mit den Handwerksjunioren engagiere ich mich heute selbst für die Duale Ausbildung und das Handwerk – wer hätte das damals gedacht!“
„Ich habe hier Abitur gemacht – ein langer Weg für mich, da ich ursprünglich aus dem Iran komme. In Deutschland war ich in der Zeit an vielen Orten und habe immer für meinen Weg kämpfen müssen. Mein Ziel war und ist es, eigene, kreative Kostüme oder Kleidung zu entwerfen. Meine deutsche Pflegefamilie hat mich dabei unterstützt und ermutigt, Praktika an Theatern zu machen oder wenigstens Jugendarbeit auszuprobieren – ich wollte zumindest anderen Kindern helfen, die sich genauso unsicher fühlen. Begonnen habe ich dann erst eine schulische Ausbildung zum Modenäher: Jetzt mache ich in Berlin meine Ausbildung zum Maßschneider. Ich bin sehr glücklich!“
„Ich habe als junge Frau in Polen mein Abitur gemacht. In Deutschland habe ich zunächst in verschiedenen Jobs gearbeitet – als Lagerarbeiterin, Verkäuferin oder auch in kleinen Tante-Emma-Läden. Nebenbei konnte ich einige Deutschkurse besuchen. Medizinische Berufe mit handwerklichem Hintergrund haben mich schon immer interessiert. Über ein Praktikum bin ich schließlich in die Ausbildung zur Zahntechnikerin gekommen. Hier fühle ich mich sehr gut aufgehoben – und mein Job hat Zukunft.“
„Nach dem Abi wollte ich erstmal nur weg – also Work and Travel in Australien. Zurück in Deutschland hatte ich überhaupt keine Lust auf Studium oder Ausbildung, ich wollte Geld verdienen. Ich habe mich als Pizzafahrer durchgeschlagen, war Finanzberater, habe Stromverträge verkauft. Nach sechs Jahren habe ich gemerkt: Ich brauche jetzt was Solides, einen Abschluss. Heute bin ich echt froh, die Ausbildung zum Elektroniker zu machen. Die Zeit davor habe ich offenbar gebraucht.“
„Während meiner Zeit am Gymnasium ist mein Vater gestorben – er war Konditor. Das hat uns alle komplett aus der Bahn geworfen, meine Mutter, meine Brüder und mich. Ich habe mich erstmal ein Jahr ins Nachtleben gestürzt, habe als Kellnerin gearbeitet. Danach habe ich das Abi nachgeholt, ein Studium angefangen, abgebrochen, ein anderes Studium angefangen – wieder abgebrochen. Zwischendurch habe ich als Verkäuferin in einer Bäckerei gearbeitet. Das Thema Backen ließ mich nicht los, ich wollte meinem Vater nah sein. Also habe ich mich doch für eine Ausbildung entschieden. Heute bin ich Konditormeisterin.“
„Ich bin mit meinen Eltern aus Tschechien gekommen, da war ich fünf. Ich war schon immer eher schüchtern und introvertiert, und in der Schule hatte ich es nicht leicht – ich lerne etwas langsamer. Nach dem MSA wusste ich überhaupt nicht, was ich machen soll. Dann bin ich auf das Projekt Integration durch Ausbildung gestoßen. Die haben uns mehrere Monate betreut, und ich war drei Monate in einer spanischen Bäckerei. Das war großartig, weil ich schon immer gern gebacken und gekocht habe. Zurück in Berlin habe ich ein Praktikum gemacht – und der Betrieb hat mich schließlich zur Bäckerin ausgebildet. Bestanden habe ich auch.“

Laura Schleier

Blücherstr. 68

10961 Berlin

Tel. +49 30 259 03 - 394

schleier--at--hwk-berlin.de

Dr. Martin Altemeyer-Bartscher

Abteilung Wirtschaftspolitik

Blücherstr. 68

10961 Berlin

Tel. +49 30 259 03 - 359

Fax +49 30 259 03 - 372

altemeyer-bartscher--at--hwk-berlin.de