
v.l.n.r.: Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Berlin und Henrik Vagt, stellv. Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin
Pressemitteilung vom 16. Oktober 2025Gemeinsame Konjunkturumfrage: Berliner Wirtschaft bleibt im Krisenmodus – strukturelle Probleme bremsen Wachstum
Die Konjunkturumfrage zeichnet für den Herbst 2025 ein durchwachsenes Bild der Berliner Wirtschaft. Während einzelne Branchen leichte Erholungssignale senden, bleibt die Gesamtlage angespannt. Die Unternehmen fordern dringend bessere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und weniger Bürokratie, um die Hauptstadt wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen. Dies sind die Ergebnisse der repräsentativen Konjunkturumfrage von IHK und Handwerkskammer Berlin im Herbst unter 950 Unternehmen.
Der Konjunkturklimaindex (geometrisches Mittel aus aktueller geschäftlicher Lage und Erwartungen) steigt im Herbst 2025 zwar auf 105 Punkte (Frühsommer: 102 Punkte), bleibt damit aber auf niedrigem Niveau und unverändert zum Vorjahres-Herbst. Das sind weiterhin nur fünf Punkte oberhalb des neutralen Wertes von 100 Zählern. Die leichte Verbesserung ist vor allem auf optimistischere Erwartungen im Dienstleistungssektor zurückzuführen.
Aktuelle geschäftliche Lage: Viele Unternehmen agieren im „Krisenmodus“
Die befragten Unternehmen bewerten ihre Situation schlechter als im Vorjahr. Die Geschäftslage hat sich in fast allen Branchen weiter eingetrübt. Der entsprechende Indikator fällt auf sechs Punkte – ein Wert wie zu Pandemiezeiten. Besonders betroffen sind das Verarbeitende Gewerbe und das Gastgewerbe, während das Baugewerbe sich vergleichsweise stabil zeigt. Das Kfz- und Ausbaugewerbe sowie die Gewerke des gewerblichen Bedarfs berichten weiterhin von einer hohen Auslastung und einer soliden Nachfrage.
Geschäftserwartungen: Stimmung hellt sich leicht auf
Die Berliner Wirtschaft hofft auf eine moderat besser laufende Konjunktur in den kommenden Monaten. Der Erwartungsindikator, welcher sich aus optimistischen und pessimistischen Einschätzungen ergibt, zählt aktuell fünf Punkte. Verglichen zum Vorjahresherbst gewinnt der Indikator immerhin zehn Punkte hinzu. Möglich, dass Unternehmen auf die Effekte der expansiven Fiskalpolitik hoffen und entsprechend weniger skeptisch gestimmt sind.
Personal- und Investitionspläne: Beschäftigungsabbau und Investitionszurückhaltung
Der Saldo der Personalplanungen fällt auf minus vier Punkte und signalisiert erstmals seit der Coronakrise wieder einen Beschäftigungsabbau. Die Investitionsdynamik bleibt schwach: Nur jedes zweite Unternehmen investiert aktuell, deutlich weniger als im langjährigen Durchschnitt. Besonders in Industrie und Handel ist die Investitionsbereitschaft stark gesunken. Hauptmotiv für Investitionen ist der Ersatzbedarf, zukunftsgerichtete Investitionen bleiben aus.
Branchen im Überblick
- Verarbeitendes Gewerbe: Stimmung und Erwartungen bleiben pessimistisch, Personalabbau und Investitionszurückhaltung prägen das Bild. Sorgen bereiten vor allem die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, hohe Arbeitskosten und Rohstoffpreise.
- Handel: Die Lage bleibt angespannt, Konsumzurückhaltung und Wettbewerbsdruck belasten die Branche. Drei von vier Unternehmen sehen den Inlandsabsatz als zentrales Risiko.
- Gastgewerbe: Die Situation ist alarmierend – jedes zweite Unternehmen bewertet die Lage als schlecht, der Beschäftigungssaldo fällt auf minus 55 Punkte.
- Dienstleistungssektor: Hier gibt es einen Hoffnungsschimmer: Die Erwartungen hellen sich auf, insbesondere bei personenbezogenen Dienstleistungen. Dennoch bleibt die Investitions- und Personalplanung zurückhaltend. Es handelt sich wohl, um einen vorsichtig, abwartenden Optimismus.
- Handwerk und Bauindustrie: Das Handwerk zeigt eine stabile, aber stagnierende Entwicklung. Im Baugewerbe hingegen sinkt der Anteil investierender Unternehmen auf ein sehr niedriges Niveau, die Beschäftigungspläne sind überwiegend negativ. Das Berliner Handwerk erweist sich im Herbst als Stabilitätsfaktor in einer insgesamt verhaltenen Wirtschaftslage.
Risiken und Herausforderungen: Bürokratie, Abgabenlast und Strukturprobleme
Der Fachkräftemangel verliert als Risiko für die geschäftliche Entwicklung an Bedeutung, während wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen – vor allem Bürokratie und hohe Abgabenlast - von den Unternehmen als größte Hemmnisse genannt werden. Hinzu kommen schwacher Inlandsabsatz und steigende Arbeitskosten. Im Berliner Handwerk werden Neueinstellungen verschoben oder mangels verfügbarer Fachkräfte ganz aufgegeben.
Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin: „Die Lage im Berliner Handwerk ist überwiegend stabil, jedoch ohne spürbare Aufwärtsimpulse. Der Fachkräftemangel und die hohen Arbeitskosten bremsen die Dynamik. Dass die Beschäftigungsplanung ins Minus dreht, ist ein Warnsignal und der Tatsache geschuldet, dass der Fachkräftemarkt in bestimmten Branchen leergefegt ist. Als Bremsklotz erweist sich nach wie vor der immense Bürokratieaufwand, beispielsweise bei der öffentlichen Auftragsvergabe, den kleinere Handwerksbetriebe kaum stemmen können.“
Henrik Vagt, stellv. Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin: „Der Optimismus in der Dienstleistungsbranche kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wirtschaftliche Lage insgesamt weiterhin nicht gut ist. Auf mangelnden Inlandsabsatz und US-Zölle hat die Politik zwar nur begrenzten Einfluss, auf den Abbau von bürokratischen Fesseln als eines der massivsten Hemmnisse für die wirtschaftliche Entwicklung dafür umso mehr. Weniger Bürokratie, Auflagen und Abgaben würden den Unternehmen endlich die notwendigen Wachstumsimpulse und nicht zuletzt den Optimismus wiedergeben. Dass Berlin mit der sogenannten Ausbildungsplatzumlage stattdessen zusätzliche Abgaben für viele Unternehmen und noch mehr Bürokratie plant, ist deshalb absolut unverständlich.“